Als eines der ältesten Theater im Ruhrgebiet hat das Grillo-Theater in der Essener Innenstadt einen Ruf zu verteidigen. Gut sollen die Stücke sein, außergewöhnlich, sollen noch lange zum Nachdenken anregen und das volle Potential des Teams ausnutzen. Mit Frankenstein gelingt es dem Theater auf jeder Ebene.

Victor Frankenstein, seines Zeichens verrückter Wissenschaftler, hat es vollbracht: Aus alten Leichenteilen hat er einen neuen Menschen, „den zweiten Adam“, erschaffen, ihn zum Leben erweckt. Doch sein eigenes Meisterwerk jagt ihm Angst ein und so kommt es, dass das Monster fliehen kann. In eine Welt, die nicht für es bereit ist. Es stößt von Menschen immer nur auf Ablehnung aufgrund seiner Hässlichkeit, zunächst spricht es nicht, imitiert nur die Menschen, doch auch als es zur Sprache findet und seine Liebe zur Lyrik entdeckt, ändert sich nichts an dem Hass, den die Menschen für es empfinden. Einzig und allein ein alter, blinder Mann behandelt ihn wie einen Ebenbürtigen, verspricht ihm eine Familie und die Liebe, nach dem es sich so sehr sehnt.

Herzzerreissend ist dann der Moment, in dem der Sohn des Blinden mit seiner Frau heim kommt – und dem Monster keine Chance gibt, sich zu erklären, es anschreit und mit einem Knüppel verjagt.

Der zweite Akt widmet sich dann mit der Abrechnung des Monsters mit seinem Schöpfer, Frankenstein. Und es wird deutlich, wer hier das wahre Monstrum ist. Dr. Frankenstein versinkt immer mehr in seinem Wahnsinn, seinem Gott-Komplex, bis er schließlich alles um sich herum vernachlässigt und zuletzt seine Ehefrau Elizabeth tot auffindet, getötet von dem Biest, das er erschaffen hat. Die Parallelen zwischen Frankenstein und seinem Monster, Ego und Alter-Ego, werden immer deutlicher, bis sie schließlich (keine Spoiler-Warnung, die Buchvorlage ist fast 200 Jahre alt!) beide sterben.

Bei der Essener Inszenierung ist nicht nur die herausragende schauspielerische Leistung von Axel Holst anzusprechen, der mit seiner Darstellung des Monsters bereits ab der ersten Sekunde für Gänsehaut beim Publikum sorgt, sondern auch ein slow-clap für Gustav Rueb (Inszenierung) und Daniel Roskamp (Bühnenbild) angebracht. Die große Drehbühne trumpf mit Glassärgen und Schaumbad auf und jeder besondere Effekt hinterlässt große Wirkung, nicht nur auf den Zuschauer, sondern auch auf das Wesen, das zum ersten Mal Feuer und Schnee kennenlernt.

Die erste Hälfte des Stücks berührt die Gefühle, lässt uns mit dem Monster mitfühlen und hält uns einen Spiegel vor, zeigt, wie boshaft die Menschheit sein kann. Die zweite Hälfte dagegen spricht den Kopf an, stellt philosophische Fragen und hinterlässt ein bitteres Gefühl im Zuschauer, wegen dem man sich noch lange an die Aufführung erinnern wird. Als deutsche Uraufführung ist es eine rundum gelungene Show.

Frankenstein

von Nick Dear

nach dem Roman von Mary Shelley

Deutsch von Corinna Brocher

Nächste und letzte Aufführung: 06. März ’16, 19 – 21:50 Uhr, 11€/Karte

Fotograf: Martin Kaufhold