Wirtschaftsingenieurwesen. Bevor ich mich kurz vorm Abitur auf die Suche nach einem geeigneten Studiengang machte, hatte ich keine Ahnung was das ist, geschweige denn was man damit macht. Nun, einen Bachelorabschluss später, weiß ich zwar was das ist, doch was man damit macht, erschießt sich mir noch immer nicht ganz. Aber alles der Reihe nach.

 

Ich bin also kurz vorm Abitur und habe keine Ahnung was ich wirklich studieren möchte. Auf meiner Liste steht Journalismus ganz oben, doch man munkelt, dass echte Journalisten nie „Journalismus“ studiert hätten und eher „Politikwissenschaft“ anzupeilen sei. Bei einem Gespräch mit meinem damaligen Schulleiter frage ich gerade heraus „Womit kann man denn gutes Geld verdienen?“ Ohne lange nachzudenken sagt er: „Wirtschaftsingenieurwesen!“. Fragezeichen ploppen auf in meinem Kopf. Kenn ich nicht, noch nie von gehört. Ist das neu? (Nein, war es nicht …)

Ich gebe den Begriff in die Suchmaschine meiner Wahl ein und siehe da: Wirtschaftsingenieurwesen wird an der Technischen Universität Berlin angeboten. TU? Ich doch nicht! Wie dem auch sei, die Bewerbungen müssen raus. Ich werfe insgesamt vier Bewerbungen in den Briefkasten ein: Wirtschaftsingenieurwesen (TU), 2x Betriebswirtschaftslehre (FU und HU) (War da nichts was mit „Wer nichts wird, wird Wirt?“) und „Europäische Medienwissenschaften“ (Uni Potsdam). Letztes ist mein Favorit. Einige Wochen später erhalte ich drei Zusagen: TU, HU, FU – nun haben wir den Salat. Ich werde Wirtschaftsingenieurin – an der TU!

Heute bin ich Wirtschaftsingenieurin, aber bitte nicht falsch verstehen, ich studiere noch und zwar im Master. Wie sich der Studiengang zusammensetzt und welche Voraussetzungen man zu erfüllen hat, lässt sich alles wunderbar auf der TU-Homepage nachlesen, daher spare ich diesen Teil mal aus.

Nur so viel dazu: wie der Name Wirtschaftsingenieurwesen verrät, hat man den Vorteil Ingenieur und Wirtschaftler zu sein. Immerzu bekomme ich zu hören, dass ich später an den wichtigen Schnittstellen zwischen Technik und Management arbeiten könne. Konkretes kann ich mir trotzdem noch nicht vorstellen und muss die Fragen meiner Verwandten nach meiner künftigen beruflichen Laufbahn regelmäßig abschmettern.

 

Welche Gefühle und Gedanken während des Studiums aufkommen, lässt sich vielleicht wie folgt beschreiben:

 

Über 3000 Studierende können sich an der Technischen Universität Berlin angehende Wirtschaftsingenieure (im Folgenden WiIngs) nennen und einige davon scheinen geradezu überwältigend stolz darauf zu sein. Stolz darauf, dass sie die schwereren Mathematik-Module „Analysis I für Ingenieure“, „Analysis II für Ingenieure“ und nicht zu vergessen „Lineare Algebra für Ingenieure“ hinter sich bringen konnten – die einen besser, die anderen schlechter. Stolz darauf, dass sie durchschnittlich bessere Prüfungsergebnisse in „Statistik“ liefern, als ihre Mitstreiter des Studiengangs „Economics“. Einfach eben stolz darauf, ein WiIng zu sein.

Ich sehe das nicht so eng. Dass ich die Mathemodule geschafft habe, ist ja schön und gut. Im Rahmen meines weiteren Studiums hat mir dieses Erfolgserlebnis deutlich weniger Vorteile gebracht als zum Beispiel meinen Economics-studierenden Freunden. Die haben gleich in den ersten zwei Semestern alle mathematischen Grundlagen für die Wirtschaftsfächer gelernt und hatten anschließend deutlich leichteres Spiel. Ich kann dafür mehrfach die kompliziertesten Funktionen integrieren. Sieht gut aus – hilft meistens nicht im Studienalltag!

Dass wir seitens der „echten“ Ingenieure nicht für voll genommen werden, weil wir „Schmalspuringenieure“ seien, hat keinerlei Bedeutung. Dass unser Wirtschaftswissen teilweise höchst oberflächlich ist, hat keinerlei Bedeutung. Wir sind WiIngs!

Übrigens wird nicht nur von Seiten der „echten“ Ingenieure in Richtung WiIngs gestichelt. Ganz besonders Studierende der Geisteswissenschaften können mit uns nicht allzu viel anfangen und da fliegt einem schon ab und an ein unfreundliches „Ach, diese Wirtschaftler*innen!“ um die Ohren.

Vielleicht kommt bei mir dieses beflügelte „WiIng sein ist ja so toll!-Gefühl“ nicht auf, weil dieser Studiengang für mich nur zweite Wahl war. Nichtsdestotrotz habe ich mein Studium kennen- und lieben gelernt und könnte mir im Nachhinein nichts Besseres vorstellen.

 

Allen, die es in Erwägung ziehen an der TU Berlin zu studieren – sei es WiIng, Economics, Technischer Umweltschutz, Architektur etc., wünsche ich ganz viel Spaß im Dschungel!

Foto: RainerSturm  / pixelio.de