Das ist das Motto von Lesley Lokko, Kuratorin der 18. Biennale Architettura 2023 in Venedig.
The Laboratory of The Future
Ab dem 20. Mai wird in Venedig, im herrlichen Rahmen der Giardini und des Arsenal der Serenissima die 18. Biennale Architektur stattfinden. Was für ein Kontrast zwischen dieser herrlichen mittelalterlichen Stadt und den neuen Ideen und Projekten der Biennale.
Warum besucht man die Biennale? Weil man nirgendwo anders auf der Welt die Möglichkeit hat Kunst so zu erleben und zu genießen. Gleichzeitig wirkt Venedig wie eine Stadt der Zukunft. Eine Stadt wo der Mensch zu Fuß geht, wo man die Effizienz der Stadt per se merkt; die erste Stadt des Mittelalters wo der Mensch Bürger und nicht Knecht war. Wo es kein Schloss sondern einen Palast als Regierungssitz gab. Eine Stadt die 100% sustainable gebaut wurde, mit Backstein und Holz , eine Stadt die man heute „Bio“ nenne könnte.Ebendiese Stadt beherbergt seit 1895 die Biennale ARTE und seit 1980 die Biennale Architektur. Anfangs gedacht als eine „Architektur Biennale“, wurde sie langsam zu einem Melting Pot für neue Ideen und Projekte, der sich immer mehr auch sozialen Themen widmet, sozusagen als Bindeglied zur reinen Architektur.
Die Kuratorin Lesley Lokko, Architektin, Afrikanerin, bringt neue Ideen mit. Sie sieht die Biennale mit ganz anderen Augen: Auf der einen Seite die Vergangenheit der Kolonialisierungen auf der anderen die Zukunft von Millionen Kindern und Jugendlichen in der afrikanischen Diaspora.
Decolonisation and Decarbonisation sind die zwei Stichwörter dieser Biennale. Die Umwelt spielt die tragende, die verbindende Rolle. Von den Ausstellern dieser Biennale hat Lokko diesmal etwas was ganz wichtiges verlangt: Sie sollen die „Agents of Change“ sein, diejenigen, die wirklich eine Veränderung in unserer gemeinsamen Kultur herbeiführen.
Oft hat sich Lokko gefragt, ob solche Monster-Ausstellungen wirklich gerechtfertigt sind. Doch dann kam Sie zum Schluss, dass eine Biennale immer eine Momentaufnahme ist, aus der ein Prozess wird. Kein Storytelling wie bei der Kunst. Im Vordergrund stehen die Ressourcen, die Produktion und die Darstellung der Projekte. Mit den anschliessenden gemeinsamen Diskussionen entwickeln sich neue Pläne, die in diesem Fall den „Change“ hervorbringen.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Architektur steht Afrika, die Afrikaner und die Diaspora im Mittelpunkt. 12 Millionen Menschen wurden deportiert und als Sklaven verkauft. Die Nachkommen haben eine Kultur, Kunst und ihre eigene Welt entworfen, die kaum bekannt ist. Afrikanische Architektur beispielsweise wurde nie als Fach studiert. Aufbauend auf der letzten Kunst Biennale „The milk of Dreams“, gibt man hier denen Wort und Raum, die vorher keinen Platz und keine Stimme hatten.
Dieses Kaleidoskop der alten und neuen Geschichten, Projekte und Produktionen wird interaktiv sein und mit den anderen Kulturen verschmelzen, um ein „Change“ zu bilden.
Lesley Lokko hat, um etwas ganz Besonderes zu schaffen, nicht nur Architekten sondern auch Musiker integriert. Gewinner des LEONE D ORO ALLA CARRIERA ist DEMAS NWOKO aus Nigeria. 1935 geboren, als Sohn eines Obi (Herrscher) Süd Nigerias, NWOKO ist eigentlich ein Allrounder: Designer, Architekt, Bildhauer, Schriftsteller, Historiker und Kritiker. Er war der, der als erster Gebäude projektiert – umweltschonend entwickelte. Tief verwurzelt mit seinem Land ist er der Visionär der modernen afrikanischen Architektur und Kunst.
Die Biennale Architettura wir dieses Jahr besonders strukturiert: 89 Teilnehmer aus der ganzen Welt, Durchschnittsalter jung (47), verglichen mit der vorherigen Biennale. Die meisten kommen aus der afrikanischen Diaspora, es heisst Afrika, Amerika, Grossbritannien und Frankreich (Kolonie Bereich). Gender balance 50/50. 16 Teilnehmer im Zentral Pavillon, “la Force Majeure“ der Afrikanischen Diaspora, mit ihrer Produktion und ihren Projekten zur Dekolonisierender und Dekarbonisierenden Architektur.
Auf dem Gelände des Arsenale befinden sich die anderen beiden Teile, Die “Kurator Special Projects”, persönlich ausgesucht von Leslie Lokko, eigentlich zum ersten mal in einer grossen Anzahl. Im selben Gebäude sind auch “Guests of the Future” zu finden: Verbunden mit unserer Hoffnung auf die nächsten Generation. Sehr junge practitioners, die Schulter an Schulter mit den bekanntesten Teams ausstellen. Die sogenannten „practitioners“ warten in den Länder-Pavillons mit Überraschungen auf.
Lokko möchte mit dieser Biennale Architektur der „Jugend“ die Möglichkeit geben, sich hier mit ihren Ideen einzubringen. Sie hat dazu den Begriff „practitioners“ initiiert. Nicht die akkreditierten Designer, Stadtplaner und Architekten sind die Stars des “Labratory of the Future“. Wir sind gespannt auf neue Ideen und Projekte für eine – vielleicht – bessere Welt.
Lokko verspricht sich gemeinsam mit den bekannten Stars und den „practitioners“ noch mehr Kreativität, mehr Inhalte, neue Medien und neue, vielversprechende Installationen.
Ein ganz besonderes Highlight: das “Biennale College”. 986 Bewerbungen gingen dafür ein, 50 Studenten wurden ausgewählt. 15 weltbekannte Tutoren und Mentoren werden mit den Studenten bis Ende des Sommers zusammenarbeiten. Im Oktober wird dazu eine Dokumentation “educational experience” veröffentlicht.
Was bringen Sie, lieber Leser mit Venedig in Zusammenhang? Den Carnival!
Im „Laboratory of the Future“ gibt es einen Space of Liberation, angelehnt an diese ganz besondere Zeit, die in Venedig im Frühjahr stattfindet. Erinnern sie sich an den Anfang meines Artikels? Die erste Stadt des Mittelalters wo der Mensch Bürger und nicht Knecht war. Über die nächsten sechs Monate werden verschiedene Performances, Diskussionen, Lectures und Events stattfinden. Politiker, Architekten, Makler, Schriftsteller und Aktivisten werden mit den „practitioners“ und Studenten und Besuchern über die Themen der Biennale diskutieren, um gemeinsam Lösungen zu finden.
Ich freue mich, Sie in Venedig zu treffen!
Luigina Romor
aus Venedig für „The Sophomore“
Journalistin und Mentorin der gemeinnützigen Haus der Mentoren GmbH