Vielleicht kommt euch das Folgende bekannt vor: Von klein auf habt ihr gesagt bekommen, dass ihr schlau seid, so schlau, schlauer als die anderen. Ihr seid etwas ganz Besonderes und könnt alles schaffen, was ihr euch vorgenommen habt. Und irgendwie hat es auch geklappt. Klar gab es auch Fächer, in denen ihr nicht so gut wart, aber prinzipiell seid ihr problemlos durch die Schule gekommen, vielleicht, weil ihr als es noch einfach war, euch so oft gemeldet habt, dass die Lehrer euch nicht mehr drangenommen haben, auch nicht, als ihr die Antwort gar nicht mehr wusstet.
Eure Eltern haben euch in zahlreiche Zusatzkurse gesteckt, euch gefördert, wenn es ihnen möglich war, aber so richtig toll fandet ihr weder Klavier noch den Badmintonverein. Mehr als einmal konntet ihr spüren, wie eure Mitschüler euch mit Glück neidisch, mit Pech verachtend anstarrten, als ihr wieder eine gute Note bekommen habt, ohne dafür arbeiten zu müssen. Kurzum: Das perfekte Rezept für einen absoluten Absturz, wenn man das Studium anfängt und feststellen muss, dass man gar nicht weiß wie man lernt und einem nicht mehr alles in den Schoß fällt.
Tatsächlich habe ich aber auch die Phase in meinem Leben dadurch gemeistert, dass ich wirklich gut darin bin, den Eindruck zu erwecken, als hätte ich hart gearbeitet. Eine Fähigkeit, die ich liebevoll bullshitten nenne und die ich über die Jahre so gut perfektioniert habe, dass ich IHK-geförderte Kurse darin geben könnte.
(Kritische Freunde behaupten, dass ich sehr wohl hart an meinen Noten gearbeitet habe und es mir nur vorkommt wie Bullshit, weil ich ja nie gelernt habe, wie hart Arbeiten überhaupt aussieht. Keine Ahnung, wer Recht hat.)
Bullshitten bereitet einen aber nicht auf den Arbeitsmarkt vor und ihr könnt euch vorstellen, wie nervös ich vor meinem ersten Job war. Ich war fest überzeugt, keinerlei echte Qualitäten zu besitzen und innerhalb der ersten Woche gefeuert zu werden. Umso überraschter war ich, als ich wirklich gut in dem war, was ich tat. So gut, dass sie mich übernahmen, als mein erster Vertrag sich dem Ende neigte. Nachdem man sein ganzes Leben davon überzeugt war, dass man eigentlich immer nur behauptet, Dinge zu können, in Wirklichkeit aber eine Nulpe ist, war das schon irgendwie ein Schock.
Ein noch größerer Schock war es allerdings, als ich das erste Mal gefeuert wurde. Auf die Gründe will ich hier nicht weiter eingehen, Fakt ist aber, dass es weniger an meiner Arbeit lag und eher den Umständen geschuldet war. Aber für das Gefühl, das entsteht, wenn man aus dem rausgerissen wird, was einem das erste Mal das Gefühl gegeben hat, dass man doch etwas kann, ändert das nichts.
Ich kann nicht anders, als es mit einer richtig fiesen Trennung zu vergleichen. Ich konnte an nichts Anderes mehr denken und allein der Anblick von der Bahn, mit der ich jeden Morgen zur Arbeit gefahren bin, hat sich angefühlt wie ein Schlag in die Magengrube.
Ich wollte sofort einen neuen Job, mit dem ich es dem alten so richtig heimzahlen konnte, und gleichzeitig nie wieder ein Arbeitsverhältnis anfangen. Arbeitgeber sind alle scheiße! Ich bin eine selbständige Frau, I don’t need no job!
Aber wie bei jeder Trennung wird es besser mit der Zeit. Man durchlebt die fünf Stadien der Trauer und je länger es her ist, desto mehr fallen einem Dinge auf, die nicht okay waren, die man früher gar nicht richtig wahrgenommen hat. Man merkt, dass man nicht alle Arbeitgeber hasst, sondern dass man einfach nur nicht zurück zum alten will und dass man, wenn man sich die Wunden geleckt hat, auch bereit für Neues ist. Ganz wie wenn man sich von einem Partner trennt, lernt man Dinge über sich, die man vorher nicht wusste. Was ist mir wichtig bei einem Job, wo sind meine Grenzen, was möchte ich bei der Aussicht auf eine langfristige Anstellung? Ich vertrete voll und ganz die Meinung, dass es für die meisten Menschen notwendig ist, im Liebesleben einmal so richtig schön auf die Fresse zu fliegen, weil man auf diese Weise so viel über sich selbst und die eigenen Bedürfnisse lernt. Und wenn ich mir meine Erfahrungen so anschaue, glaube ich langsam, dass es auch im Beruflichen vielleicht gar nicht schlecht ist, wenn man diese Erfahrung macht. Hauptsache, man lässt sich davon nicht unterkriegen, klopft nach einer angemessenen Trauerzeit den Staub ab und geht wieder auf die Suche. Denn anders als in der Liebe ist es unwahrscheinlich, dass man selbst vom Traumjob gefunden wird.