Wie kann der Wandel zu einer nachhaltigeren Welt und Gesellschaft, auch in Deutschland, vorangetrieben und beschleunigt werden?
Antworten auf diese Frage wurden auch dieses Jahr erneut im Rahmen der Jahreskonferenz des Rates für nachhaltige Entwicklung (RNE) am 29. Mai erarbeitet und präsentiert. Die vorangegangene Konferenz lieferte einen erfolgreichen Entwurf einer aktualisierten Nachhaltigkeitsstrategie, die im Januar diesen Jahres von der Bundesregierung präsentiert wurde. Dieses Jahr forderte der Rat den nächsten Schritt ein, Nachhaltigkeit fest im Grundgesetz zu verankern und Verfassungsrang zu geben. Nur so könnten langfristig, wirksam Fortschritte erzielt werden.
Ein weiteres, wichtiges Mittel sei Sustainable oder Green Finance, eine Nachhaltige Finanzwirtschaft als Treiber der globalen und nationalen Nachhaltigkeitsagenda. Dabei gilt es, Anreize für private Investoren zu schaffen, in nachhaltige Projekte zu investieren, um den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit zu beschleunigen. Im vergangenen Jahr wurden weltweit, mit über 300 Milliarden Dollar, mehr in erneuerbare Energien investiert als in alle fossile Energien zusammen. Dieser Trend müsse nun auch viel stärker in Deutschland weitergeführt und verstärkt werden, so Achim Steiner, ehemaliger Chef des UN Umweltprogramms (UNEP) und jetziger Leiter des UN Entwicklungsprogramms (UNDP). Er verlangte klare, marktkonforme Grundsätze für den Finanzsektor. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung stellte in diesem Zusammenhang auch den Entwurf eines Hubs for Sustainable Financing auf nationaler und europäischer Ebene vor, um das Finanzwesen stärker an nachhaltigen Zielen auszurichten und Investitionen als öffentliches Druckmittel zu bündeln. Nachhaltiges Wirtschaften müsse als große Chance gesehen werden. Dabei ginge es vor allem um die Reduzierung praktischer Hemmnisse für einen besseren Zugang zu ambitionierten Anlagen, effektive Informationsketten und digitale Vernetzung, sowie mehr Initiative seitens Bund, Ländern und Kommunen.
Ein großer Fokus, im Hinblick auf strukturelle Veränderungen, galt auch der Landwirtschaft und Agrarpolitik. Eine Podiumsdiskussion über die aktuellen Entwicklungen des konventionellen Landbaus machte die Probleme deutlich: übermäßige Bodennutzung und Versiegelung, hohe Lebensmittelverschwendung sowie falsche Lebensmittelpreisverteilungen, die falsche Anreize für Konsumenten schaffen (teure ökologische Produkte, billige nicht-nachhaltige Produkte). „Der Preis lügt. Wenn Grundwasserverschmutzung oder der Verlust der Biodiversität in die Kosten mit eingerechnet würden, wäre der Preis etwa für Fleisch ein anderer“, so Agrarwissenschaftler Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, der gleichzeitig eine neue Preisbewertung, einschließlich negativer Externalitäten, für Lebensmittel forderte. Des Weiteren sei eine Abschaffung gefährlicher Pestizide, vor allem Glyphosat, für eine nachhaltigere Landwirtschaft erforderlich. Im Gegenzug sah Arnd Nenstiel von Bayer CropScience, einem der größten Glyphosat Hersteller weltweit, den umstrittenen Wirkstoff jedoch weiterhin als „Teil der landwirtschaftlichen Praxis“ in der Zukunft. Das Publikum bekundete seine negative Meinung daraufhin deutlich.
Bundeskanzlerin Merkel, als jährlicher Stammgast, betonte Nachhaltigkeit als „Auftrag für jeden von uns“ und forderte die Bereitschaft für neues Denken und den Wandel ein. Darüber hinaus müsse jede strategische Entscheidung, ob in Wirtschaft oder Politik, hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit überprüft werden. Dafür werde ein zuständiger Koordinator in jedes Ressort der Bundesregierung eingesetzt. Schließlich ermutigte sie den Rat weiterhin „unbequem“ zu bleiben.
„Doch jeder, der mehr über das Thema Nachhaltigkeit nachdenkt, wird merken, dass nachhaltiges Handeln und Denken nur in einer Gesellschaft unbequem ist, die es sich viel zu leicht und bequem macht.“
Doch es ist genau dieses „unbequem“ sein, dass sich nicht nur ein Nachhaltigkeitsrat zu Herzen nehmen sollte, sondern jeder Bürger einer Gesellschaft. Bis irgendwann das unbequeme zum Standard wird. Doch jeder, der mehr über das Thema Nachhaltigkeit nachdenkt, wird merken, dass nachhaltiges Handeln und Denken nur in einer Gesellschaft unbequem ist, die es sich viel zu leicht und bequem macht. Und, dass jede Einzelperson als Teil dieser Gesellschaft, mit jenem bequemen Lebensstil das Umweltproblem vergrößert und verschlimmert. Doch es geht auch anders. Gemüse statt Fleisch, das Fahrrad statt dem Auto, Glas oder biologisch abbaubar statt Plastik, Ausstöpseln statt Stand-By. Die Liste an „unbequemen“ Alternativen ist lang. Doch wer erkennt, dass diese Alternativen gar nicht unbequem sind, sondern in einer gesunden Welt normal, ist Teil der Lösung des Umweltproblems und sorgt persönlich für nachhaltige Entwicklung. Dabei muss nicht nach oben geschaut, und auf eine Marschrichtung der Politik gewartet werden. Es beginnt jeden Morgen, bei jedem Einzelnen. Teil des Problems oder Teil der Lösung? Was bist du?